Harburger Zweitklässler unterstützen Mukoviszidose-Patienten
Musik klingt aus dem Klassenraum, in dem die Zweitklässler konzentriert bunte Papiere schneiden und Wollfäden aufrollen, um sie schließlich auf bemalte Pappteller zu kleben. Der gedankliche Weg vom künstlerisch gestalteten Einweggeschirr zum neuen Planeten ist für die Jungen und Mädchen nur eine Frage der Zeit. Schnell tauchen sie ab in das unendliche Universum und entwickeln ihre ganz eigenen Geschichten. Der achtjährige Tamino hat seinen Lava-Planeten in zwei Ebenen angelegt.
„Ich würde gern einmal echte Lava sehen“, träumt der Zweitklässler von fernen Ländern und fremden Welten. Julien und Rosa werkeln hingegen eifrig an ihren Himmelskörpern namens „Gummibärchenplanet“ und „Flausch-Gestirn“. Eigene Vorstellungen entwickeln und sie mit viel Kreativität Stück für Stück umsetzen – das ist das Ziel einer außergewöhnlichen Projektwoche, die derzeit an der Katholischen Schule Harburg läuft. Klassenlehrerin Melanie Jürges und ihre 24 kleinen Erfinder lassen sich von der Game-Designerin Bianca Hinz in die Welt der digitalen Spieleentwicklung einführen.
„Sieben Tage lang lernen die Kinder die Prozesse einer App-Entwicklung kennen und schlüpfen selbst in die Rolle der Konzeptioner und Producer“, freut sich Jürges über die Anregungen des Profis. Die Grundschüler durchlaufen verschiedene Arbeitsstationen, recherchieren Geschichten, experimentieren mit Materialien, nehmen Geräusche auf und erhalten sogar einen ersten Einblick in die Programmierung. Schon in 14 Tagen sollen die Sieben- und Achtjährigen dann die Ergebnisse ihrer Kreativarbeit in einer echte Spiele-App wiederfinden.
„Aber das Beste ist: Die Vorstellungen und Ideen sowie Wünsche der Kinder fließen letztlich in die Weiterentwicklung einer Therapie-App für junge Mukoviszidose-Patienten ein“, erklärt Bianca Hinz von der Harburger Agentur Birds and Trees.
Mit der Kindertherapie-App Patchie möchte die Agentur auf spielerische und nachhaltige Weise erkrankten Kindern ihre Krankheit erklären und die dringend notwendigen Therapien spielerisch vermitteln. Denn viele Kinder in Deutschland leiden unter chronischen Erkrankungen und müssen je nach Krankheitsverlauf mehrere Stunden am Tag für Therapien aufwenden. „Wir wollen mit der virtuellen außerirdischen Figur Patchie Kinder so zur Durchführung des eigenen Therapieplans begeistern, wichtige Zusammenhänge erklären und die Konsequenzen des eigenen Handelns verdeutlichen“, fasst Hinz die Ziele zusammen.
Die persönliche familiäre Betroffenheit eines leitenden Mitarbeiters der Agentur, Vater eines der Zweitklässler, habe zu diesem Engagement geführt. Bereits im kommenden Jahr soll die Therapie-App in einer Langzeitstudie getestet werden. Ziel ist schließlich die Anerkennung der App als „medizinisches Produkt“, damit sie jungen Patienten als Krankenkassenleistung kostenfrei zur Verfügung gestellt werden kann.
„Diese Grundschul-Projektwoche ist für die Weiterentwicklung der Therapie-App von ganz entscheidender Bedeutung. Nicht nur die Fantasie der Jungen und Mädchen bringt uns voran, sondern auch deren kritischer Blick auf das, was wir bereits entwickelt haben“, erklärt Hinz. Und mit Kritik halten sich Zweitklässler ja gewöhnlich selten zurück…