Fünftklässler erleben Theater im Klassenzimmer

Plötzlich steht sie da, mitten im Klassenraum. Zunächst unsicher, abwartend, dann mit herausforderndem Blick und selbstbewusst-nörgelndem Grundton: Paulina. Nicht ohne Grund auch Maulina genannt.

Fünftklässler erleben Theater im Klassenzimmer - Foto 1 Schauspielerin Kathrin Dworatzek als Maulina beim „Theater im Klassenzimmer“ in der Katholischen Schule Altona (Foto: Christoph Schommer)

Und Maulinas Welt ist aus den Fugen geraten. Sie muss die Trennung ihrer Eltern verdauen, die Krankheit ihrer Mutter ertragen und sich nun auch noch an einer neuen Schule zurechtfinden. Der Umzug aus ihrem geliebten Mauldawien in das Neubaugebiet Plastikhausen fällt ihr mehr als schwer.

Fünftklässler erleben Theater im Klassenzimmer - Foto 2 „Hier sitze ich“ – Schauspielerin Kathrin Dworatzek als Maulina im Gespräch mit Fünftklässlern der Katholischen Schule Altona (Foto: Christoph Schommer)
„Es war einmal … da hatten wir noch alles“, beginnt Schauspielerin Kathrin Dworatzek vom Thalia Theater ohne Umschweife aus dem Teenager-Leben zu berichten, klar und direkt. Im Nu hat die Künstlerin die Fünftklässler der Katholischen Schule Altona in ihren Bann gezogen.

Aufmerksam hören die Mädchen und Jungen zu, durchdringen vergangene, lebensfrohe Zeiten mit „geräumigem Zimmer in komfortabler Wohnung, mit ausgiebigen Frühstücken und vielen aufgeschlagenen Büchern auf dem knarrenden Dielenboden“ – und erahnen den urigen Hinterhof, in dem Maulina Gärtner, Chef und Zirkusdirektor zugleich war.

Doch nun ist alles anders. Die Wohnung ist klein und ungemütlich, umgeben von endlos asphaltierten Straßenschluchten, und der gemeinschaftliche Garten ist so groß, dass man die Ecken der Rasenfläche beim Liegen mit Händen und Füßen berühren kann.

Fünf Wochen lang haben sich die Stadtteilschüler mit ihrem Klassenlehrer Jan Baugut intensiv mit dem mehrfach ausgezeichneten Werk „Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt – Mein kaputtes Königreich“ des in Hamburg lebenden Autors Finn-Ole Heinrich beschäftigt. „Wir haben Umzugskisten gepackt, Kurzgeschichten geschrieben, Comics gezeichnet und uns sogar im szenischen Spiel ausprobiert“, berichtet Baugut. Gerade dieses Zusammenspiel ermögliche den Kindern den unverkrampften Umgang mit wichtigen Fragen des Lebens und biete viele Anknüpfungspunkte an eigene Erlebnisse.

Die Aufführung des Werkes als Klassenzimmerstück gelingt Schauspielerin Kathrin Dworatzek problemlos, die Kommunikation mit den jungen Zuschauern ist direkt und unmittelbar. Die Fünftklässler werden immer wieder neu zu Reaktionen herausgefordert und dabei zugleich mit alltäglichen Problemen der Anerkennung und des Mobbings konfrontiert. Maulina reagiert gekränkt auf die fehlende Anerkennung.

„Ich freunde mich doch mit keinem dieser Teebeutel an“, erklärt sie selbstbewusst mit dem Blick auf ihre neuen Mitschüler – und wünscht sich doch nichts anderes als genau das. Schließlich tritt „der lange Lulatsch“ Paul in ihr Leben, dessen unbeholfenes Lächeln ihr jedes Mal wie ein kleiner Sonnenaufgang erscheint. Ein Kumpel, der nicht viel redet und doch so einiges verändert in Paulinas Leben.

Verändert hat das vom Kulturforum21 unterstützte Literaturprojekt des Thalia Theaters auch die Sicht der Altonaer Schüler. „Das war ein tolles Buch, für jedes Alter gut lesbar“, resümiert Lea, ohne das Lob für die Schauspielerin zu vergessen: „Sie haben die Emotionen so toll gespielt“. Jahn-Carlo staunt über das, was sich Dworatzek alles merken kann. „Ich fand es echt krass, dass Sie das ganze Buch auswendig können“, staunt der Zehnjährige, „das könnte ich nicht“. Doch das lässt die Künstlerin nicht unwidersprochen stehen.

„Ihr könnt das. Lasst Euch nicht stressen und schaut nicht immer nur auf die anderen, um Euch zu messen“, rät Kathrin Dworatzek mit Blick auf die eigene Kindheit. „Wenn Ihr etwas wirklich mögt, dann setzt Euch dafür ganz und gar ein, und dann schafft Ihr das auch“.
Das Nicken der Schüler zeigt: Maulina hat was bewegt in den Köpfen der Fünftklässler.

 

(Fotos zur freien Verwendung)