„Ich muss mich nur noch einloggen“
Katholische Schule St. Marien im digitalen Vorwärtsgang. Mucksmäuschenstill sitzen die Grundschüler in ihrem Klassenraum. Die Augen der Viertklässler der Katholischen Schule St. Marien Eulenstraße sind an diesem Morgen auf Alexander Tscheulin gerichtet, der sein Tablet gerade mit dem großen interaktiven Flachbildschirm verbindet.
„Ich muss mich nur noch kurz einloggen“, bittet Tscheulin um ein wenig Geduld. Doch schon wenige Sekunden später startet der studierte Diplom-Pädagoge seine digitale Sachkunde-Unterrichtseinheit mit einem Quiz. Nun gilt es für die Jungen und Mädchen, für unterschiedliche Fragen die jeweils richtige Antwort zu finden. Doch auf hochgereckte Zeigefinger wartet Tscheulin vergebens. Dafür halten die Kinder ein Buch mit einem aufgeklebten QR-Code in die Höhe, der in vier verschiedenen Stellungen gehalten und somit unterschiedliche Antworten verdeutlichen kann.
Der Pädagoge scannt die Codes mit seinem IPad sekundenschnell ein. Die Antworten der Schüler werden automatisch auf dem großen Bildschirm im Klassenraum angezeigt: 22 richtige Lösungen, 2 falsche. „Das habt Ihr richtig gut gemacht!“, freut sich der 41jährige, um gleich den nächsten Arbeitsauftrag zu platzieren: Programmieren steht auf dem Programm.
Befehle, Funktionen, Schleifen – Willem, Helene, Constantin und Minna schrecken vor diesen Begriffen nicht zurück. „Das ist gar nicht so schwer, wie es sich anhört“, meint Willem selbstbewusst. Mit einem mobilen Mikroprozessor namens Calliope, den die Kinder erhalten und der mit dem zuvor ausgeteilten IPad per Funkübertragung gekoppelt werden soll, starten die interessierten Viertklässler ihren Programmierungsauftrag. Das Ziel: ein paar erste Zeilen eines Codes schreiben und an den Mini-Computer übertragen. Bei Rocco stockt die Arbeit, die Verbindung mit dem Tablet klappt nicht.
„Brauche ich dafür einen Bluetooth-Code?“, fragt der Neunjährige. Tscheulin schüttelt den Kopf – und hilft, denn jeder soll mitkommen und den Sinn erfahren. „Ob Programmieren wirklich sinnvoll ist oder nicht – diese Diskussion gibt’s schon ziemlich lange“, resümiert der gebürtige Baden-Württemberger, „Ich denke, es ist ein weiteres Grundwerkzeug neben Lesen und Schreiben, das uns die Welt noch anders erschließen kann“. Neben seiner Halbtagsstelle als Pädagoge geht der dreifache Vater auch freiberuflich seiner digitalen Neigung nach und gibt Workshops zu den Themen Social Media, digitale Lebens- und Arbeitswelt sowie digitale Medien im Unterricht.
Mit seinem Einstieg als Lehrer an der Katholischen Schule St. Marien im Februar 2017 hat sich vieles an dem kleinen Grundschulstandort verändert. Neue Hardware wurde angeschafft: Tablets für Lehrer und Schüler, digitale Tafeln für die Klassenräume sowie ein eigener Schulserver als zentraler Speicher- und Kommunikationsort. „Wenn wir uns untereinander digital vernetzen, dann nur unter unserer eigenen Kontrolle“, verdeutlicht Tscheulin den Anspruch der Schule an Sicherheit und Unabhängigkeit. Nach und nach begeisterte er auch seine Kolleginnen und veranschaulichte digitale Alternativen in der Unterrichtsvorbereitung und -durchführung. Unterrichtsmaterialien und Besprechungsprotokolle stehen allen Lehrern seither ganz selbstverständlich in digitalen Ordnern als Online-Dokumente zur Verfügung. Jeweils dienstags bietet der engagierte Pädagoge seinen Kolleginnen einen „Werkstatt-Treff“ an, um praktische Tipps für den konkreten Einsatz digitaler Medien im Unterricht vorzustellen, um Erfahrungen auszutauschen und zu einem ganz selbstverständlichen Miteinander zu kommen.
„An dieser überschaubaren Schule, sieht man sehr schnell, was wie funktioniert. Und das ist ein großer Vorteil, wenn man wirklich etwas verändern möchte.“ Und verändern möchte Tscheulin viel. Wichtig sei stets eine gute Kombination unterschiedlicher Ansätze. So arbeitet er als Lehrer nicht nur mit iPads, ActivePanels, Lego WeDo und Calliope Minis, sondern ganz selbstverständlich auch mit Gesang, Gitarre und Trommeln, leitet den Chor und liebt Theater. „Körper, Geist und digitale Medien zusammen bringen – das ist der Ansatz“, verdeutlicht Tscheulin.
Und weil die Kinder so konzentriert mitgearbeitet haben, gibt’s am Ende noch eine Flug-Show im Klassenraum. Trotz begonnener Pause kleben die Kinder an den per App gesteuerten Flugbewegungen einer kleinen Drohne, die sich über die Köpfe von Minna, Mila und ihren Klassenkameraden erhebt – und sich mit Loopings den Szenenapplaus der Viertklässler sichert. „Wollt Ihr noch einen zusätzlichen Take off?“, fragt der Pädagoge. „Ja“, rufen die Kinder einstimmig und verfolgen, wie Tscheulin weitere Flugbefehle programmiert. So macht Schule Spaß.